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Digitale Werkzeuge könnten Gehirn stärken: Studie widerspricht Demenz-Befürchtungen

by Andrew Rogers
Digitale Werkzeuge könnten Gehirn stärken: Studie widerspricht Demenz-Befürchtungen

Neue Forschungsergebnisse stellen die gängige Vorstellung infrage, dass digitale Geräte das Gehirn im Alter schwächen könnten. Zwei Universitäten aus Texas analysierten eine Vielzahl von Studien und fanden Hinweise darauf, dass die Nutzung von Technik im Alter das Risiko für geistige Einschränkungen tatsächlich verringern könnte. Die Ergebnisse dieser Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Nature Human Behavior, stellen die sogenannte „digitale Demenz-Hypothese“ auf den Kopf.

Technik im Alter: Keine Gefahr für die geistige Gesundheit

Die digitale Welt hat die Art und Weise verändert, wie wir arbeiten, kommunizieren und unsere Freizeit gestalten – und diese Veränderungen machen auch vor dem Alter nicht halt. Während viele Experten befürchteten, dass die permanente Nutzung von Smartphones, Computern und sozialen Medien die geistige Gesundheit älterer Menschen beeinträchtigen könnte, zeigt die neue Analyse ein ganz anderes Bild.

Die Wissenschaftler aus Texas analysierten 57 Studien mit insgesamt 411.430 älteren Teilnehmern und fanden heraus, dass die Nutzung von digitalen Geräten das Risiko für Demenz, leichte kognitive Beeinträchtigungen und schwache Gedächtnisleistungen um 42 % reduzierte. Dr. Jared Benge, einer der Studienleiter und Professor an der Universität von Austin, betont, dass diese Ergebnisse über andere Faktoren wie Bildung, Lebensstil und Einkommen hinausgehen.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass digitale Aktivitäten einen positiven Einfluss auf das Gehirn haben können, insbesondere bei älteren Menschen“, erklärt Benge.

Die Untersuchung: Daten aus fast zwei Jahrzehnten

Die Forscher durchsuchten mehrere Datenbanken nach Studien, die bis ins Jahr 2024 veröffentlicht wurden. Die Hauptanalyse basierte auf 20 Langzeitstudien, die durchschnittlich sechs Jahre dauerten, und 37 Querschnittsstudien. Die Teilnehmer dieser Studien waren im Durchschnitt 68 Jahre alt. Das Ergebnis war eindeutig: Die regelmäßige Nutzung von digitalen Geräten, wie Internet, E-Mail, sozialen Netzwerken, Smartphones und Computern, zeigte einen positiven Zusammenhang mit der geistigen Stabilität im Alter.

Keine negativen Effekte von Technik

Besonders bemerkenswert ist, dass keine der 136 geprüften Studien einen negativen Einfluss von Technologie auf die kognitive Leistungsfähigkeit feststellte. Die einzigen uneinheitlichen Ergebnisse wurden bei der Nutzung von sozialen Medien festgestellt. Dr. Michael Scullin, Mitautor der Studie, hob hervor, wie selten es ist, dass eine solche konsistente Übereinstimmung in den Studienergebnissen gefunden wird.

„Diese Ergebnisse sind äußerst wichtig, da sie zeigen, dass Technologie im Alter nicht unbedingt schädlich für das Gehirn ist“, so Scullin.

Bewusste Nutzung bleibt entscheidend

Trotz dieser positiven Ergebnisse warnen die Forscher davor, die Studie als Freibrief für exzessive Nutzung von digitalen Geräten zu verstehen. „Es ist wichtig, dass Technologie bewusst genutzt wird“, erklärt Benge. Die Studie zeigt, dass die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, durchdachte und sinnvolle Wege gefunden hat, die digitalen Werkzeuge zu nutzen, ohne ihre geistige Gesundheit zu gefährden.

Allerdings bleibt ein zentraler Aspekt unklar: Es fehlen genaue Daten dazu, wie viel Nutzung von Technik erforderlich ist, um positive Effekte zu erzielen. Ebenso ist nicht klar, welche Arten von digitalen Aktivitäten am vorteilhaftesten für das Gehirn sind.

Technik fördert geistige Aktivität und soziale Kontakte

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie ist der Zusammenhang zwischen geistiger Aktivität, sozialen Kontakten und kognitiver Gesundheit. Dr. Christopher Anderson vom Brigham and Women’s Hospital lobte die Analyse als „sorgfältigen Überblick über fast zwei Jahrzehnten Forschung“. Er betonte, dass es wichtig ist, den Einfluss von sozialen Medien und digitaler Kommunikation nicht zu unterschätzen, da diese oft zur Förderung von sozialen Kontakten beiträgt. Einsamkeit ist bekanntlich ein Risikofaktor für Demenz.

„Digitale Kommunikation kann helfen, soziale Isolation zu verhindern, was wiederum positive Auswirkungen auf die geistige Gesundheit haben kann“, erklärt Anderson.

Der Schlüssel: Maßvolle Nutzung

Die Experten sind sich einig, dass der Schlüssel zur Nutzung digitaler Technologien im Alter in der Maßhaltung liegt. Dr. Amit Sachdev, Neurologe an der Michigan State University, betont: „Übermäßige Nutzung ist immer problematisch. Es geht darum, bewusst zu entscheiden, wie und wie lange man Technik nutzt.“

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Studien keine konkreten Empfehlungen zur optimalen Nutzung von digitalen Geräten geben. Es bleibt offen, welche Arten von digitaler Aktivität den größten Nutzen bringen. Einige Experten raten jedoch zu einer ausgewogenen Mischung aus Aktivitäten, die sowohl geistig anregend als auch sozial verbindend sind.

„Es geht nicht darum, dass Technologie an sich schlecht ist, sondern vielmehr um den richtigen Umgang damit“, so Sachdev.

Technik kann das Gehirn schützen

Insgesamt unterstützt die Studie die Theorie der „kognitiven Reserve“, die besagt, dass geistig herausfordernde Aufgaben und soziale Interaktionen dazu beitragen können, die geistige Gesundheit im Alter zu stärken. Technik kann dabei ein hilfreiches Werkzeug sein, das nicht nur das Gehirn fordert, sondern auch das Risiko für Demenz mindert.

Viele ältere Menschen meiden digitale Geräte, da sie diese als zu komplex empfinden. Doch laut Dr. Scullin können auch Menschen mit leichter Demenz im Umgang mit digitalen Technologien geschult werden. Die anfängliche Frustration beim Erlernen neuer Geräte kann sogar ein Zeichen geistiger Anstrengung sein – und genau diese Anstrengung könnte dem Gehirn zugutekommen.

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