Die Europäische Union kämpft derzeit mit einem Mangel an 16 Arzneimitteln, die als “kritisch” für die Gesundheit der Bürger gelten. Diese Engpässe betreffen eine Vielzahl von Medikamenten und stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Versorgung dar. Produktionsprobleme, steigende Nachfrage oder strategische Marktentscheidungen der Hersteller haben dazu geführt, dass diese Medikamente auf die EU-Knappheitsliste gesetzt wurden. Der Mangel betrifft nicht nur einzelne Länder, sondern ist ein Problem, das die gesamte EU betrifft.
Engpässe bei Antibiotika, Inhalatoren und Insulin
Cyanokit – Gegenmittel bei Cyanidvergiftung
Cyanokit ist das einzige in der EU zugelassene Medikament zur Behandlung von Cyanidvergiftungen. Das Medikament, das Hydroxocobalamin (Vitamin B12a) enthält, steht derzeit auf der EU-Knappheitsliste. Im Dezember 2024 stellte der Hersteller aufgrund möglicher Verunreinigungen die Produktion ein. Da es keine Alternative für das Medikament gibt, bleibt es weiterhin im Umlauf. Die Lösung des Problems wird voraussichtlich bis Mai 2025 erwartet.
Amoxicillin – Antibiotikum gegen bakterielle Infektionen
Amoxicillin, ein weit verbreitetes Antibiotikum, wird aufgrund einer erhöhten Nachfrage durch Atemwegserkrankungen und Produktionsengpässen immer noch schwer verfügbar. Obwohl sich die Lage in vielen EU-Staaten entspannt hat, gibt es weiterhin Lieferprobleme in einigen Ländern. Der Engpass besteht bereits seit Oktober 2022.
Inhalatoren – Salbutamol für Asthma- und COPD-Patienten
Salbutamol-Inhalatoren sind für viele Patienten mit Asthma oder COPD unverzichtbar. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage haben Hersteller Schwierigkeiten, mit der Produktion Schritt zu halten, was zu Engpässen in fast ganz Europa führt. Obwohl es Alternativen gibt, wird der Mangel voraussichtlich bis Mitte 2025 anhalten.
Insulin-Arten – Mangel an Insuman-Produkten
Menschen mit Diabetes benötigen Insulin zur Blutzuckerkontrolle. Anfang 2023 kam es aufgrund von Herstellungsproblemen bei Insuman Rapid, Basal und Comb 25 zu Lieferverzögerungen. Der Hersteller hat die Produktion dieser Insuline inzwischen eingestellt, was dazu führte, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Ärzte aufforderte, betroffene Patienten auf andere Insulinpräparate umzustellen.
Engpässe bei Krebsmedikamenten, Impfstoffen und Blutkrankheiten
Sieben Krebsmedikamente betroffen
In der EU gibt es Engpässe bei sieben Medikamenten zur Behandlung von Krebs. Darunter fallen Hycamtin, Methotrexat, Fludarabin, Fluorouracil, Cisplatin, Fasturtec und Paclitaxel. Die Hauptursache für den Mangel sind Produktionsprobleme. Eine unerwartet hohe Nachfrage nach Methotrexat zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen hat die Situation zusätzlich verschärft. Einige Medikamente werden jedoch langsam wieder verfügbar.
Ixiaro – Impfstoff gegen Japanische Enzephalitis
Der Impfstoff Ixiaro, der zur Vorbeugung der Japanischen Enzephalitis, einer gefährlichen Gehirnentzündung, eingesetzt wird, ist derzeit knapp. Produktionsprobleme und steigende Nachfrage haben zu Lieferengpässen geführt. Obwohl die EMA eine Entspannung der Lage bis Januar 2025 prognostiziert, wird der Impfstoff in Irland erst ab April 2025 wieder verfügbar sein.
Peginterferon alfa-2a – Medikament gegen Blutkrankheiten
Peginterferon alfa-2a, bekannt unter dem Handelsnamen Pegasys, wird zur Behandlung von Hepatitis B und C sowie anderen Blutkrankheiten verwendet. Eine unerwartet hohe Nachfrage hat zu einem Mangel geführt, der voraussichtlich erst Ende 2025 behoben sein wird.
Mangel bei Schizophrenie-, Herzinfarkt- und Augenmedikamenten
Zypadhera – Behandlung von Schizophrenie
Zypadhera (Olanzapin), das zur Behandlung von Schizophrenie verwendet wird, ist aufgrund von Produktionsproblemen derzeit knapp. Patienten, die normalerweise das Medikament oral einnehmen, müssen auf Injektionen umsteigen, jedoch gibt es auch bei diesen Injektionen Engpässe. In einigen Ländern, wie Belgien, sind nur begrenzte Mengen verfügbar.
Integrilin – Herzinfarktprävention
Integrilin wird zur Verhinderung von Herzinfarkten bei Patienten mit starker Brustenge oder bestimmten Infarktarten eingesetzt. Wegen Lieferproblemen mit dem Wirkstoff Eptifibatid musste der Hersteller GlaxoSmithKline die Produktion einstellen, was dazu führte, dass das Medikament vom EU-Markt genommen wurde. Es gibt jedoch alternative Präparate.
Verteporfin – Behandlung von Augenkrankheiten
Verteporfin (Visudyne) wird zur Behandlung von altersbedingter Makuladegeneration und anderen Augenkrankheiten verwendet. Aufgrund einer starken Einschränkung der Produktion seit Mai 2020 gibt es Engpässe bei diesem Medikament. In Österreich wird eine neue Lieferung erst Ende 2025 erwartet, obwohl es alternative Behandlungen gibt.
Die Arzneimittelknappheit in der EU betrifft eine breite Palette von wichtigen Medikamenten, die für die Behandlung von Krankheiten von entscheidender Bedeutung sind. Während einige Engpässe durch Produktionsprobleme oder erhöhte Nachfrage verursacht werden, müssen verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um diese Mängel zu beheben und eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen. Der Schutz der öffentlichen Gesundheit in der EU hängt stark von der Lösung dieser kritischen Engpässe ab.